Wie ein nachhaltiges Unternehmen mit seinen Retouren umgeht. Ein E-Mail-Interview mit ARMEDANGELS.

ARMEDANGELS ist bekannt für den nachhaltigen Umgang mit seinen Produkten. Inwiefern spielt hier auch der Umgang mit den Retouren eine Rolle?

Seit 2007 beweisen wir bei ARMEDANGELS, dass Mode auch anders geht: nachhaltig & fair. Dies gilt nicht nur für die gesamte Lieferkette und auch unsere Produkte, sondern auch von „cradle-to-gate“. Dazu gehört für uns auch unser gesamtes Online-Geschäft inklusive Retouren! Wir finden es übrigens toll, dass diese Thematik endlich in das Bewusstsein der Leute kommt. In der Industrie wird nämlich kaum über das große Problem und die Herausforderung der Überproduktion geredet!

 Seit Beginn von ARMEDANGELS haben wir eine klare „no-landfill-policy“ für unsere Retouren, Second-Choice Ware, sogenannter Deadstock und auch für fehlerhafte Produktionsware. Das heißt ganz konkret, es landet nichts im Müll!

 

Nach welchen Kriterien gliedern Sie die Artikel wieder in Ihren Primärkreislauf ein bzw. führen Sie diese anderen Verwendungen zu?

 Mit unseren Retouren befolgen wir ein festes System: Oberstes Ziel ist immer die Retouren im Kreislauf zu halten. Wird uns Ware zurückgeschickt, wird diese geprüft und entweder in A- oder B-Ware eingestuft. A-Ware bedeutet, dass der Artikel fehlerfrei ist und somit wieder in den Verkauf kommt. Ist an der zurückgesendeten Ware ein kleiner Fehler vorhanden, wie beispielsweise ein fehlendes Hangtag, ein kleines Loch oder eine aufgegangene Naht, wird dieser Artikel nicht als fehlerhaft eingestuft, sondern von uns repariert und wieder versendet. Natürlich prüfen wir, ob die Ware aus rechtlicher Sicht noch weiterverkauft werden darf – und sie auch unserem Anspruch genügt. Das heißt, es ist ganz klar unser Ziel, unsere Ware so lange wie möglich im Verkauf zu halten! 

Ist der Artikel allerdings wirklich nicht mehr verkaufbar, wird er als B-Ware kategorisiert und kommt somit in unser B-Warenlager. Auch bei diesem Prozess haben wir ganz klare Kriterien.  

 

Was passiert mit ausrangierten Kleidungsstücken? Betreiben Sie so etwas wie Refurbishing oder Upcycling? Haben Sie ein B-Waren-Outlet? Arbeiten Sie mit Retourenaufkäufern zusammen? Spenden Sie Rückläufe an karitative Organisationen? Was unternehmen Sie darüber hinaus, um angefallene Retouren weiterzuverwerten? Müssen Sie Retouren manchmal auch entsorgen?

Unsere B-Ware wird schließlich an FairWertung e.V. weitergegeben, mit der wir im engen Austausch stehen. Dabei handelt es sich um ein bundesweites Netzwerk von gemeinnützigen Organisationen und deren Tochterfirmen. FairWertung hat einen „Verhaltenskodex für gemeinnützige Kleidersammlungen“ entwickelt, der für alle angeschlossenen Organisationen verbindlich ist. Das Tolle an dieser Zusammenarbeit ist, dass nicht nur sichergestellt wird, dass nichts auf dem Müll landet, sondern dass ein sozialer und gesellschaftlicher Mehrwert geschaffen wird.

 Unsere Partner*innen verwenden die gespendeten Textilien direkt vor Ort wieder, indem sie diese als Secondhand-Kleidung kostengünstig anbieten oder als Hilfsgut weitergeben. Das ist auch ökologisch, denn es hilft, Ressourcen und CO2 in der Produktion von Neukleidung einzusparen.

Die Altkleiderbranche ist aktuell in einer Krise. Es wird einfach zu viel weggeschmissen, und vor allem zu viel Bekleidung von schlechter und billiger Qualität. Wir sind in einer guten Position, da unsere Partner*innen sich immer über unsere hochwertige Ware freuen. Nichts destotrotz, bleiben wir dran, auch dies zu reduzieren und noch ökologischer, fairer und kreislauffähiger zu werden.

 

Wir haben Euch im Zuge unseres Flaschenpostprojekts ein von uns umgestaltetes Stück zurückgeschickt und den Kaufpreis klaglos zurückerhalten. Warum bekommt der/die Kund*in denn das Geld zurück, wenn der Artikel Fehler oder Flecken aufweist und als B-Ware eingestuft wird. Oder war das bei uns ein Einzelfall?

Dass wir die Summe der an uns zurückgesendeten Ware erstatten, hängt damit zusammen, dass wir vor dem Versand an unsere Kund*innen nicht jeden einzelnen Artikel noch mal prüfen können. Das heißt, wir können nicht garantieren, dass die fehlerhafte Ware (z.B. ein Fleck) nicht schon von uns so versendet wurde. Daher sind uns rechtlich gesehen quasi die Hände gebunden und wir sind somit verpflichtet, eine Geldrückerstattung vorzunehmen, wenn wir nicht eindeutig sagen können, dass der Artikelfehler auf unsere Kund*innen zurückzuführen ist.

Euer T-Shirt ist bei uns leider tatsächlich bei der B-Ware gelandet und gespendet worden! Hier hat unser Logistikpartner eine Veränderung entdeckt und entschieden, dass wir es so nicht weiterverkaufen können (auch rein rechtlich nicht). Deswegen hat euer schönes Kunstwerk nun vermutlich schon eine neue stolze Besitzerin. Wir haben hier aber auch noch mal sensibilisiert.

 

Bietet ARMEDANGELS nachhaltige Alternativen, wie mit fehlerhafter Ware umgegangen wird,?

Genau dafür haben wir u.a. ARMEDANGELS Repair ins Leben gerufen. Es geht darum, unsere Kund*innen dazu zu motivieren, kaputte Kleidung nicht direkt wegzuschmeißen oder auszusortieren. Um ihnen also mit echten Lifehacks tatkräftig zur Seite zu stehen, erklären wir in kurzen Videos, wie man beispielsweise einen kaputten Reißverschluss oder Löcher in einer Jeans ganz einfach selbst reparieren kann – und nicht direkt eine neue Hose kaufen muss.

Außerdem gehen wir aktuell den nächsten großen Schritt. Unser Ziel ist es ein zirkuläres Unternehmen zu werden. Wir verwandeln zum Beispiel Produkte, die nicht mehr getragen werden, zu neuen Kleidungsstücken. Dafür haben wir ein Take-Back-System entwickelt, mit welchem wir im ersten Schritt ARMEDANGELS T-Shirts von unseren Kund*innen zurücknehmen und sie zu unserem sogenannten “Circular Tee” verarbeiten. Unser Ziel ist es, bis 2030 ein vollständig zirkuläres System anzubieten.

 

Könnten Sie Ihr Retourenverfahren näher beschreiben? Der Rückversand bei Ihnen ist nicht kostenlos. Glauben Sie, dass das Auswirkungen auf die Anzahl und Qualität der Retouren hat?

Für uns fängt Nachhaltigkeit schon beim Rohstoff an und wir denken die Reise unserer tollen ARMEDANGELS Bekleidung sogar über den Versand hinaus. Schon immer nutzen wir DHL GoGreen, das gilt nicht nur für die Auslieferung, sondern auch für Retouren. Das heißt, wir haben einen kostenpflichtigen Versand, bei dem jedoch die durch den Transport entstandenen Treibhausgase durch Klimaschutzprojekte ausgeglichen werden.

Innerhalb Deutschlands und Österreich bieten wir einen kostenfreien Rückversand an, der im DHL GoGreen Paket inbegriffen ist. Dies wird bald auch für internationale Bestellungen ausgeweitet.

Uns liegt ein nachhaltiger Umgang mit Retouren  total am Herzen, weswegen wir natürlich hoffen, dass unsere Kund*innen bewusste Bestellungen tätigen und nicht ein Übermaß an Artikeln ordern. Dafür bieten wir natürlich einen möglichst präzisen Sizeguide, den wir ständig optimieren und anpassen. Uns ist bewusst, dass die Anzahl der bestellten Waren je Sendung eine große Auswirkung hat. Bei einzeln bestellten oder einzeln zurückgesendeten Waren ist die entsprechende Umweltbilanz am schlechtesten. Durch die Versandmethode DHL GoGreen hoffen wir also ganz klar ein Statement zu setzen und unsere Kund*innen auf die Umweltbelastung durch übermäßige Versendungen aufmerksam zu machen.

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Manche Online-Händler sprechen selbst von einer Retourenquote von bis zu 50%. Der Anteil an Retouren, die wieder in den regulären Warenkreislauf gelangen, beträgt laut aktuellen Untersuchungen lediglich 70%. Können Sie beziffern, wie hoch diese Anteile bei ARMEDANGELS sind?

Generell stellt sich natürlich die Frage: Mit wem vergleichen wir uns? Wir schauen hierbei aber vor allem auf unsere eigenen Prozesse und fokussieren ganz klar auch hier die nachhaltigste Lösung.

Unsere Retouren geben wir in Regel in Quoten an, das heißt wir schauen, wie viel von der Ware, die wir rausschicken, kommt wieder zurück, also eine Retourenquote (in €) von 50% heißt, dass wir von 1000€ rausgeschickter Ware 500€ zurückbekommen würden. Und wir sind sehr stolz, dass wir diese kontinuierlich reduzieren können! Grob geschätzt gehen wir in diesem Jahr von einer Retourenquote von 46% aus.

Die Retourenquote hängt aber immer vor allem mit den Produktgruppen zusammen. Eine Denim  hat z.B. eine eher höhere Retourenquote als ein Shirt – 54% vs 27%. Es ist ganz deutlich: Denim und Hosen sind definitiv unsere größte Herausforderung bezüglich der Passform und Körperproportionen – und somit ein ganz großer Faktor hinsichtlich unserer Retouren. Und da unsere DetoxDenim immer beliebter wird, beeinflusst dies natürlich unsere generelle Retourenquote

Und noch eine Faustregel: Die Retourenquote der Männer ist in der Regel niedriger als die der Frauen. Ein weiterer interessanter Punkt ist, dass unsere Retourenquote bei Bestandskunden zehn Prozent besser ausfällt als bei Neukunden*innen. Das liegt natürlich daran, dass unsere Bestandskunden unsere Styles kennen und ihre Größe besser abschätzen können. Neukunden hingegen müssen erst einmal ein Gespür für unsere Größen entwickeln und unsere Marke kennenlernen. Das sind natürlich alles Fakten, die ein Retourensystem beeinflussen.

Es ist superschön zu sehen, dass zu unseren Kund*innen viele Menschen zählen, die bewusst mit Bestellungen umgehen und nicht Retouren provozieren – das finden wir super! Um unser Retourensystem noch nachhaltiger zu gestalten, haben wir in den letzten zwei Jahren einige Maßnahmen ergriffen, die sich erfreulicherweise positiv auf unsere Retourenquote ausgewirkt haben – schließlich sind Retouren ein teurer Faktor für ein Unternehmen und für die Umwelt.

Wir haben etwa die Maße unserer Produkte überarbeitet und noch genauer auf unsere Zielgruppe angepasst. So können wir beispielsweise Jeans anbieten, die sich an realistischen Körperproportionen orientieren. Dadurch wurden die Retouren reduziert, da die Ware unseren Kund*innen nun tatsächlich besser passt.  

In dem Zuge haben wir auch die Darstellung unserer Ware im Onlineshop optimiert. Das heißt ganz konkret, dass wir zum einen auf eine verbesserte und realitätsgetreuere Darstellung der Produkte im Rahmen unserer Shootings geachtet haben. Und zum anderen eine detaillierte Beschreibung unserer Styles angeben. Außerdem haben wir unsere gesamte Vorproduktion optimiert. Das bedeutet, wir haben mehr Prototypen eingeführt, mit denen wir in der Entwicklung unserer Größen präzise arbeiten können. Das hatte superpositive Folgen, da so die gesamte Produktion unserer Ware optimiert wurde.
Dennoch glauben wir aber, dass unsere Kund*innen weniger zurückschicken, bzw. geringe Mengen ordern, da sie sich mit der Thematik Nachhaltigkeit auseinandersetzen und bewusst leben wollen – und das also auch hinsichtlich ihres Modekonsums. Dazu gehört es eben auch, die Umwelt nicht durch unnötige Paketversendungen zu belasten. Deswegen denken wir, dass sich unsere Kund*innen genau überlegen, was sie bestellen und ob sie die Ware dann auch wirklich behalten möchten.

 

Uns hat auch die hohe Retourenquote von 46% etwas schockiert, natürlich verstehen wir, dass es bei Jeans eine höhere Retourenquote gibt – aber gibt es denn nicht mehr Möglichkeiten, diese zu verhindern? Etwa mit persönlicher Kundenberatung zum Thema Größen?

Wir verstehen, dass die Retourenquote auf den ersten Blick hoch klingt. So sieht leider die Realität (des Online-Shoppings) aus. Wir gehen damit, wie mit allen unseren Arbeitsprozessen, völlig transparent um. Zufrieden geben wir uns damit aber nicht, sondern überlegen immer weiter, wie wir hier gemeinsam noch besser und vor allem nachhaltiger werden können! Wir sind uns aber sicher, dass wir im direkten Vergleich zu anderen Onlineshops damit sehr gut fahren! Am stetigen Rückgang der Retourenquote sehen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind! Bei unseren T-Shirts beträgt diese, wie gesagt, nur noch 27%. Hier sehen wir eine super Entwicklung und merken, dass unsere Maßnahmen gegriffen haben – unser immer präziser werdender Sizeguide, realistische Bilder in unserem Webshop oder die Anpassung unserer Maße, wenn es zur Produktion von neuen Kollektionen kommt.

 

Wie viel von den 46% werden als B-Waren gespendet und wie viel landet wieder im A-Warenkreislauf?

Insgesamt haben wir bisher in 2020 5.601 Kleidungsstücke an FairWertung e.V. gespendet.

 

Sind Retouren wichtig für den Umsatz oder schaden Sie dem Unternehmen? Wie hoch würden Sie die zusätzliche Produktion und die Überhänge einschätzen, die durch Retouren verursacht werden?

Retouren sind natürlich ein Ressourcenfaktor für ein Unternehmen: Zum einen wegen des Rückversands und zum anderen muss die retournierte Ware erst einmal gesichtet und bewertet werden – das kostet Zeit und Geld.

Hinsichtlich einer Überproduktion im Hinblick auf unsere Retouren, orientieren wir uns an einem „schwimmenden Bestand“ – wie wir es gerne nennen. Konkret bedeutet das, dass wir immer etwas mehr Ware für unsere Kund*innen bereitstellen können, da wir durch die Retouren einen Bestand haben, der zu uns zurückkommt und schließlich wieder an unsere Kund*innen weiterverkauft werden kann.

Das ist quasi unser „schwimmender Bestand“, der natürlich ständig variiert. Das Gute ist aber, er gibt uns ein super Gespür dafür, was unsere Bestseller sind, welche Styles nicht so beliebt sind und bei welchen Schnitten wir beispielsweise die Konfektionsgrößen anpassen sollten.

 

Wenn Sie sich etwas von Ihren Kund*innen, ihren Konkurrent*innen, der Politik in Bezug auf die Vermeidung und/oder Verwertung von Retouren wünschen könnten, was wäre das?

Uns ist es super wichtig, bei unseren Kund*innen ein Bewusstsein im Umgang mit Online-Bestellungen zu schaffen – und auf der anderen Seite ein Vorbild für andere Unternehmen und Onlineshops zu sein, gerade da das Onlineshopping boomt! Um dabei die Umweltbelastungen nicht komplett zu vernachlässigen, fänden wir es sinnvoll, einen umweltfreundlichen Versand wie DHL Go Green – oder andere Alternativen im Ausland – als Standardversand zu etablieren!

Außerdem macht es einen Unterschied, auf nachhaltige Verpackungsmaterialien zu setzen. Das heißt ganz konkret, Papier statt Plastik, lieber klein statt unnötig groß. Zudem ist es natürlich sinnvoll, Bestellungen zusammenzufassen und keine einzelnen Pakete rauszuschicken.

Als Tipp für andere Unternehmen können wir außerdem mitgeben: Bietet Euren Kund*innen so detaillierte Sizeguides mit konkreten Maßangaben und Artikelbeschreibungen, wie nur möglich! Dadurch lassen sich Bestellungen, mit mehreren Größen eines Artikels auf jeden Fall minimieren.

Unser letzter Ratschlag ist aber viel mehr eine wichtige Forderung: Es darf keine Vernichtung von retournierter Ware mehr geben! Diese furchtbare Praktik ist leider immer noch der Usus in der Modeindustrie und definitiv ein ganz großes Problem. Dadurch werden Ressourcen verschwendet und die Umwelt extrem belastet. Hier ist also eine ganz klare Umstrukturierung für Retourensysteme nötig.

Das geht aber nicht von heute auf morgen. Dafür müssen sowohl die Onlineshops und die Modeindustrie mitziehen als auch ein Umdenken bei den Kund*innen passieren – gemeinsam können wir aber was bewirken, davon sind wir überzeugt!

 

Vielen Dank für das Interview.

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